Donnerstag, 11. März 2021

Staunen, Schönheit und christliches Zeugnis

Pestsäule, Wien
Eine der Heiligsten Dreifaltigkeit gewidmete, 21 m hohe Säule in Wien, 
1693 errichtet zum Dank für das Ende der Pestepidemie, 
unter der die Stadt Jahre hindurch gelitten hatte.
 
 

Die Botschaft, die Kardinal Parolin im Auftrag von Papst Franziskus (5-VIII-2020) an das Treffen in Rimini gesandt hatte, hebt die Möglichkeit des Staunens hervor, um auch inmitten der dramatischen Erfahrungen der Pandemie mit den Augen eines Kindes (vgl. Mth 18, 3) den Wert der menschlichen Existenz, den Wert der anderen Wesen und der Liebe zu entdecken. Und dieses Staunen drückt sich jetzt aus – es kann und muss sich ausdrücken – im Mitleid und im Dienst angesichts der Bedürfnisse derer, die in unserer Nähe leben.

In der Tat. Die Verwunderung, das Staunen oder die Verblüffung haben mit der Fähigkeit des Schauens zu tun. Der Weichensteller sagt zum kleinen Prinzen (Kapitel XXII), dass die Reisenden in den Zügen nichts suchen und nichts verfolgen, normalerweise schlafen oder gähnen sie; „nur die Kinder drücken ihre Nasen gegen die Fensterscheiben…nur sie wissen, wohin sie wollen…“.

Wenn der Anfang der Philosophie die Aufmerksamkeit auf die Wirklichkeit und das Leben ist, dann ist auch das Staunen - eine ausschließlich menschliche Fähigkeit – Bedingung, um das Geheimnis zu erfassen, das die Wurzel und das Fundament aller Dinge bildet, und besonders all dessen, was mit den Personen zu tun hat, mit dem Heimweh und der Sehnsucht nach dem Unendlichen. Damit verbunden ist der Weg der Schönheit, dessen Fülle in Christus liegt, der das Wunder des Lebens offenbart, wenn man eine rettende Liebe entdeckt.

„Manche Menschen, - heißt es in der Botschaft -, haben sich auf die Suche nach Antworten oder auch nur nach Fragen über den Sinn des Lebens gemacht, nach dem wir alle streben, auch ohne uns dessen bewusst zu sein: statt ihren tiefsten Durst zu stillen, hat der Lockdown bei einigen die Fähigkeit wiedererweckt, über Menschen und Tatsachen zu staunen, die vorher als selbstverständlich betrachtet wurden. Dieser so dramatische Umstand hat uns, wenigstens für kurze Zeit, wieder eine aufrichtigere Wertschätzung für das Leben gegeben, ohne die Vielzahl an Ablenkungen und Vorurteilen, die den Blick vernebeln, die Dinge unscharf machen, das Staunen leer machen und uns davon abbringen, uns zu fragen, wer wir sind“.


Staunen und Schönheit

Mitten in der gesundheitlichen Notlage hat der Papst einen Brief erhalten, unterzeichnet von verschiedenen Künstlern, die ihm danken, dass er für sie gebetet hat. „Die Künstler - sagte der Papst in der Frühmesse am 7. Mai – lassen uns verstehen, was die Schönheit ist, und ohne das Schöne kann man das Evangelium nicht verstehen“.

Gewiss. Die Schönheit ist vor allem ein Weg, um zu anderen tiefen Dimensionen des Seins zu gelangen, wie die Wahrheit und das Gute. In unserer Epoche ist die Wahrheit häufig durch die Ideologien manipuliert und durch den Relativismus verdunkelt worden; und das Gute ist auf seine soziale und rein menschliche Dimension reduziert worden.

In einem Dokument aus dem Jahr 2006 hob der päpstliche Kulturrat den anthropologischen und auch evangelisierenden Wert der Schönheit hervor:

„Der Weg der Schönheit kann, aus der einfachen Erfahrung der Begegnung mit der Schönheit, die Bewunderung weckt, den Weg zur Suche nach Gott öffnen und das Herz und den Geist dazu bringen, Christus zu begegnen, der Schönheit der menschgewordenen Heiligkeit, die Gott den Menschen zu ihrer Rettung anbietet. Heute lädt diese Schönheit den Augustinus unserer Zeit – den unermüdlichen Suchenden der Liebe, der Wahrheit und der Schönheit – dazu ein, sich von der sinnlichen Schönheit zur Ewigen Schönheit zu erheben und mit heiligem Eifer Gott, den Baumeister aller Schönheit, zu entdecken“ (Die „Via Pulchritudinis“, Weg der Evangelisierung und des Dialogs, II, 1).

Hier wurde anerkannt, dass nicht alle Kulturen in gleicher Weise offen für das Transzendente, und bereit sind, die christliche Offenbarung anzunehmen, aber sie können sich öffnen für die echte Schönheit, die mit der Wahrheit und dem Guten in Beziehung steht; und nicht für die, die sich von einer konsumbezogenen oder nützlichen Ästhetik mitreißen lässt. Gleichzeitig besagt das Schöne mehr als das Wahre oder das Gute. Das Schöne weckt Staunen – was die Klassiker schätzten - bei der Erfassung der Klarheit, die zum Beispiel die Vollkommenheit eines echten Kunstwerks vermittelt.

Kehren wir zur Botschaft von Kardinal Parolin zurück: er zitiert die folgenden Worte von Urs von Balthasar:

In einer Welt ohne Schönheit (…) hat das Gute von selbst seine Anziehungskraft verloren, die Evidenz seiner „Muss sein“-Verwirklichung; der Mensch steht perplex davor und fragt sich, warum er das Gute tun muss und nicht das Böse. Schließlich ist das eine andere Möglichkeit und sogar eine spannendere; (…) In einer Welt, die sich nicht mehr in der Lage fühlt, die Schönheit zu bejahen, haben auch die demonstrativen Argumente der Wahrheit ihre Schlagkraft verloren, ihre Kraft logischer Folgerung. (…) der Prozess, der zu einer Schlussfolgerung führt, ist ein Mechanismus, der niemanden interessiert, und die Schlussfolgerung selbst schließt auf gar nichts“ (Gloria, I, Madrid 1985, S. 23).

Im Gegenteil dazu bemerkt das Dokument, auf das wir uns bezogen haben, „Es ist die Schönheit wie die Wahrheit, die dem Herz des Menschen Freude bringt und diese kostbare Frucht ist, die dem Verschleiß der Zeit widersteht, die die Generationen vereint und sie dazu bringt, Dinge in Bewunderung zu teilen. Mit einer reinen Seele betrachtet, spricht Schönheit direkt zum Herzen, steigt innerlich von Staunen zu Bewunderung, von Glück zu Kontemplation. Dadurch schafft sie einen fruchtbaren Boden, um zuzuhören und mit dem Menschen in Dialog zu treten und um den ganzen Menschen einzubinden – Geist und Herz, Intelligenz und Vernunft, schöpferische Fähigkeit und Phantasie. Schönheit lässt nicht gleichgültig: sie weckt Emotionen, sie setzt eine Dynamik tiefer innerer Umwandlung in Gang, die Freude erzeugt, Gefühl der Fülle, den Wunsch nach freier Teilnahme an der Schönheit selbst, sie sich zu eigen zu machen, sie zu verinnerlichen und in die eigene konkrete Existenz zu integrieren“ (La „Via Pulchritudinis“…, II, 3).


Weg der Schönheit und christliches Zeugnis

Der Weg der Schönheit ist heute besonders auf dem Gebieten der Erziehung und der Kommunikation anerkannt. Auch als Weg der Evangelisierung, die Erziehung und Kommunikation des Glaubens ist. Denn der Autor der Schönheit selbst, der gleichzeitig der „Autor“ der Wahrheit und des Guten (vgl. Joh 14, 6) ist, bringt uns auf die Spur. Papst Franziskus weist darauf hin:

„(…) Alle Ausdrucksformen wahrer Schönheit können als Weg anerkannt werden, der hilft, dem Herrn Jesus zu begegnen. (…). Wenn wir, wie Augustinus sagt, nur das lieben, was schön ist, dann ist der menschgewordene Sohn, die Offenbarung der unendlichen Schönheit, in höchstem Maß liebenswert und zieht uns mit Banden der Liebe an sich. Dann wird es notwendig, dass die Bildung in der via pulchritudinis sich in die Weitergabe des Glaubens einfügt“ (Evangelii gaudium 167).

Die Botschaft endet mit der Einladung an die Christen, diese Schönheit der Liebe Gottes zu bezeugen, die sich uns in Jesus Christus erwiesen hat, der Liebe, die uns das Leben verändert hat und die uns das Wunder des Lebens schätzen lässt: das ist es, was Johannes Paul II. 1984 ausdrückte: „Es lohnt sich, Mensch zu sein, denn Du, Christus, bist Mensch gewesen“. 
 
So können wir als Zeugen der Liebe, die rettet, die Hoffnung unserer Mitmenschen aufrechterhalten, besonders derer, die unter den gegebenen Umständen leiden. 

(ubersetzt von I.R.)
http://iglesiaynuevaevangelizacion.blogspot.com/2020/08/asombro-belleza-y-testimonio-cristiano.html
 

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