Freitag, 25. März 2016

Die Pforte der Barmherzigkeit

Die Pforte schließt einen Bereich ab, sie ist eine Begrenzung; aber sie lässt auch eintreten, wenn sie offen ist. In seiner Generalaudienz vom 18. November 2015 hat Papst Franziskus die Bedeutung der „Pforte der Barmherzigkeit Gottes“ erklärt. Er bezieht sich auf die Heilige Pforte der Basilika von St. Peter im Vatikan, die während des Jubeljahres offen stehen wird, um uns einzuladen zur persönlichen Bekehrung und auch zum Verzeihen und zur Annahme der anderen.


Symbolgehalt der Pforte


Seit den alten Religionen hat die Pforte einen reichen Symbolgehalt. In den orientalischen Religionen und in Mesopotamien ist von den Pforten des Himmels und der Unterwelt die Rede. Die Ägypter bewachten die Pforten der Tempel mit Löwenstatuen. Die Römer hatten sogar einen göttlichen Pförtner der Tore, der mit zwei Gesichtern dargestellt wurde, mit der Bedeutung eines Vorher und eines Nachher: Janus (von ihm abgeleitet sind: Ianuarius, Januar und auch ianua, Pforte).

Das Durchschreiten einer Pforte ins Jenseits findet sich auch in der Bibel. Unter dem Stadttor wurden Urteile gefällt. Die Tore sind das Symbol der Gewalt des Königs oder des Vertrauens auf ihn und abgeleitet davon auf Gott. Die Pforte kann die Grenze symbolisieren, die Gott zum Beispiel dem Meer oder dem Leben gesetzt hat, und die er auch überspringen lassen kann.


Die Pforte als Durchgang zur Rettung


Im Neuen Testament wird der Sinn der Pforte als Zugang zum ewigen Glück entfaltet. „Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen“ (Lk 13, 24), fordert Jesus seine Zuhörer auf, damit der Hausherr nicht eintritt und die Tür schließt; und wenn ihr dann anklopft, wird er euch nicht erkennen. Die Tür ist ein Symbol für die Rettung, wie im Gleichnis der klugen und der törichten Jungfrauen zu lesen ist (vgl. Mt 25, 1- 12). Deshalb sind sie manchmal an Kirchentoren dargestellt; dort ist bisweilen auch eine Szene des Jüngsten Gerichts abgebildet.

Papst Franziskus weist darauf hin, dass die ganze Kirche, die „Kirchen“ oder Gotteshäuser und alle kirchlichen Einrichtungen sowie christlichen Gemeinschaften ihre Tore immer offen halten müssen, um das Treffen mit Gott zu ermöglichen. Er stellt fest: „Der Herr bricht die Türe nie auf: auch er bittet um Erlaubnis einzutreten, er bittet um Erlaubnis, er bricht die Türe nicht auf“.

In der Apokalypse heißt es: „Ich stehe vor der Tür und klopfe an.“ – Der Herr klopft an der Tür unseres Herzens an. – „Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir“ (3, 20). Und gegen Ende dieses Buches steht eine Weissagung über die zukünftige Stadt Gottes: „Ihre Tore werden den ganzen Tag nicht geschlossen“, das heißt für immer, denn – „Nacht wird es dort nicht mehr geben“ (21, 25).


Bewachen, aber nicht versperren

Das beschauliche Leben, fährt der Papst fort, hat es notwendig gemacht, viele Tore zu schließen oder sogar Panzertüren anzubringen. Aber es wäre nicht gut, das auf unser ganzes Leben auszudehnen, in der Familie und in der Stadt, in der Gesellschaft und in der Kirche: „Eine ungastliche Kirche sowie eine in sich selbst verschlossene Familie lassen das Evangelium absterben und die Welt verdorren. Keine Panzertüren in der Kirche, keine! Alles muss offen sein!

Papst Franziskus geht noch tiefer im anthropologischen Symbolismus der Türe: „ Die Tür soll schützen, gewiss, aber sie darf nicht abweisend sein. Man darf die Tür nicht aufbrechen, sondern muss im Gegenteil um Einlass bitten, denn die Gastfreundschaft erstrahlt in der freien Aufnahme und verdunkelt sich in der anmaßenden Grenzüberschreitung. Die Tür wird häufig geöffnet, um zu sehen, ob draußen jemand wartet und vielleicht nicht den Mut, vielleicht auch nicht die Kraft hat anzuklopfen“.

Und mit dem Blick auf unsere heutige Situation, auf die der Christen und der Kirche, ruft er aus: „Wie viele Menschen haben das Vertrauen verloren, haben nicht den Mut, an die Tür unseres christlichen Herzens, an die Türen unserer Kirchen zu klopfen… Und sie sind da, sie haben nicht den Mut, wir haben ihnen das Vertrauen genommen“.


Jesus ist die Tür

Der Papst möchte die Bedeutung der Tür bis zu ihrem Mittelpunkt selbst weiterführen: der Person Jesu Christi „Er leuchtet für uns an allen Türen des Lebens, einschließlich der Türen unserer Geburt und unseres Todes. Er selbst hat es gesagt: »Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden; er wird ein- und ausgehen und Weide finden« (Joh 10,9)“.

Jesus ist die Tür, durch die wir ein- und ausgehen können. Denn die Herde Gottes ist ein Schutz, nicht ein Gefängnis! Die Diebe möchten die Türe vermeiden, weil sie schlechte Absichten haben. Jesus jedoch ist die Tür, und seine Stimme ist uns vertraut. Mit ihm sind wir in Sicherheit, wir können ohne Gefahr ein- und ausgehen.

Papst Franziskus nützt die Gelegenheit, um den Türhütern zu danken für ihre Arbeit in den Kirchen und in anderen kirchlichen Institutionen, denn mit ihrer Klugheit und Liebenswürdigkeit, mit ihrem Lächeln, sind sie fähig, ein Bild der Menschlichkeit und des warmen Empfangs zu vermitteln. Sie sind ja da, um es möglich zu machen, dass die „Tür zum Glauben“ (Apg 14, 27) auf dem Weg der Rettung sich öffne; dass die Menschen die Botschaft des Evangeliums empfangen können: als Tür für das Wort oder die Predigt (vgl. Kol. 4, 3).


Die Türen der Kirche und der Familie


Auch die Kirche in ihrer Gesamtheit, an jedem Ort und in jedem Augenblick, ist der Pförtner der Schafe, der öffnet und alle Schafe eintreten lässt, die der Hirte bringt, alle, auch die sich im Wald verirrt haben, die der Gute Hirt suchen gegangen ist. Der Türhüter wählt sie nicht aus, sie sind eingeladen und erwählt durch den Herrn.

Die Tür ist auch in den Familien. „Die Heilige Familie von Nazareth weiß gut, was eine offene oder verschlossene Tür für jene bedeutet, die ein Kind erwarten, die obdachlos sind, die vor Gefahr fliehen müssen“. Er lädt deshalb „die christlichen Familien“ ein, „die Schwelle ihres Hauses zu einem kleinen großen Zeichen der Tür der Barmherzigkeit und der Annahme Gottes zu machen“.

„Genauso“, schließt der Papst, „muss die Kirche in allen Teilen der Erde erkennbar sein: als Hüterin eines Gottes, der anklopft, als freundlicher Empfang eines Gottes, der dir nicht die Tür vor der Nase zuschlägt unter dem Vorwand, dass du dort nicht zuhause bist“.

Dies alles und die Tatsache, dass der Papst selbst die Heilige Pforte öffnet und mit ihr das Jahr der Barmherzigkeit, erinnert daran, dass der Herr dem Petrus die Schlüssel des Himmelreiches übergeben hat: die höchste Macht, welche der Dienst des Türhüters ist (vgl. Mt 16, 19).

Das Osttor des Tempels, welchen Ezechiel sah, war geschlossen (vgl. Ez 44, 1 – 3). Der hl. Ambrosius sagt, es stellt Maria dar, denn durch sie trat Christus ein, die Sonne der Gerechtigkeit.

Auch Newman weist darauf hin, dass Maria die Pforte des Himmels ist, denn durch sie kam der Herr des Himmels auf die Erde. Die Rolle Mariens war nicht einfach die eines passiven Instruments. Sie sagte „Ja“ mit der ganzen Aufmerksamkeit ihres Verstandes und mit der Zustimmung ihres Herzens zu der Liebe, die sie bat, die Mutter Gottes zu sein. Sie übernahm die höchste Gabe zusammen mit der schwierigsten Pflicht, wie sich am Fuß des Kreuzes zeigte. „Durch ihre Zustimmung wurde sie zur Pforte des Himmels“ (John H. Newman, Meditations on the Litany of Loretto, II, 4: Janua coeli).

Die Heilige Pforte, die im Vatikan geöffnet wurde, erinnert also an die Tür der großen Barmherzigkeit Gottes. Und auch an die Tür unseres Herzens, das sich öffnen muss, um alle zu empfangen, -wieder mit Worten des Papstes – „um die Vergebung Gottes zu empfangen und unsererseits Vergebung zu schenken und alle aufzunehmen, die an unsere Tür klopfen“.

Publiziert am Mittwoch, dem 25. November 2015,
übersetz von I. R. 

(ver en español)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen