Samstag, 27. März 2021

Der hl. Josef, die Arbeit und die Vaterschaft

 


Welche Bedeutung hat die Arbeit? Und was bedeutet es, Vater zu sein? Das sind zwei Themen, die Papst Franziskus im letzten Teil seines Briefs Patris corde (8.12.2020) über den hl. Josef behandelt. Wir führen hier die Einladung zur Lektüre des Briefes weiter, die wir vor mehreren Tagen begonnen haben,

Seit Leo XIII. (vgl. Enz. Rerum novarum, 1891) schlägt die Kirche den hl. Josef vor als Vorbild des Arbeiters und als Patron der Arbeiter. Bei der Betrachtung der Gestalt des hl. Josef – sagt Papst Franziskus in seinem Brief – versteht man besser die Bedeutung der Arbeit, die Würde verleiht, und den Platz der Arbeit im Erlösungsplan. Anderseits liegt es heute in unser aller Interesse, uns über die Vaterschaft Gedanken zu machen.

 

Die Arbeit und der Erlösungsplan

„Die Arbeit – schreibt der Papst - wird zur Teilnahme am Erlösungswerk selbst, sie wird zu einer Gelegenheit, das Kommen des Reiches Gottes zu beschleunigen, die eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten weiterzuentwickeln und sie in den Dienst der Gesellschaft und der Gemeinschaft zu stellen; die Arbeit wird nicht nur zu einer Gelegenheit der eigenen Verwirklichung, sondern vor allem auch für den ursprünglichen Kern der Gesellschaft, die Familie“ (Patris corde, Nr. 6).

Hier lassen sich zwei miteinander verbundene Hinweise unterstreichen: eine ist die Beziehung der Arbeit mit der Familie. Die andere ist die aktuelle Lage, nicht nur die Pandemie, sondern der weitere Rahmen, der verlangt, dass wir unsere Prioritäten in Bezug auf die Arbeit prüfen. So schreibt Papst Franziskus:

„Die Krise unserer Zeit, die eine wirtschaftliche, soziale, kulturelle und geistliche Krise ist, mag allen ein Aufruf sein, den Wert, die Bedeutung und die Notwendigkeit der Arbeit wieder neu zu entdecken, um eine neue „Normalität“ zu begründen, in der niemand ausgeschlossen ist. Die Arbeit des heiligen Josef erinnert uns daran, dass der menschgewordene Gott selbst die Arbeit nicht verschmähte. Die Arbeitslosigkeit, von der viele Brüder und Schwestern betroffen sind und die in jüngster Zeit aufgrund der Covid-19-Pandemie zugenommen hat, muss zum Anlass werden, unsere Prioritäten zu überprüfen“ (Ebd).

 

Der Schatten des Vaters

Im letzten Teil seines Briefs verweilt der Papst bei der Überlegung, dass Josef es verstand, Vater „im Schatten“ zu sein (er zitiert das Buch des Polen Jan Dobraczynski, 1977, span. Ausgabe, Verlag Palabra, Madrid 2015)

Wenn wir über diesen „Schatten des Vaters“, oder in welchem der Vater ist, nachdenken, können wir berücksichtigen, dass unsere postmoderne Kultur die Wunden spürt, die durch eine Rebellion gegen die Vaterschaft verursacht worden sind, was verständlich ist, wenn man viele Ansprüche der Vaterschaft bedenkt, die nicht das waren, oder es nicht verstanden, das zu sein, was sie sein sollten; aber eine Rebellion dagegen ist in sich selbst unannehmbar, weil die Vaterschaft wesentlich zu unserem Menschsein gehört und wir sie alle brauchen. Tatsächlich brauchen wir heute überall Väter, zum Vater zurückzukehren.

In der heutigen Gesellschaft – bemerkt der Papst – scheinen di Kinder oft keinen Vater zu haben. Und er fügt hinzu, dass auch die Kirche Väter braucht, im wörtlichen Sinn zu verstehen: gute Familienväter, und auch in einem weiteren Sinn: geistliche Väter für andere (vgl. 1 Kor 4, 15; Gal 4, 19).

Was bedeutet es, Vater zu sein? Der Papst erklärt es mit einem Vorschlag:  Vater zu sein bedeutet, das Kind an die Erfahrung des Lebens, an die Wirklichkeit heranzuführen. Nicht, um es festzuhalten, nicht, um es einzusperren, nicht, um es zu besitzen, sondern um es zu Entscheidungen, zur Freiheit, zum Aufbruch zu befähigen“ (Nr.7). Und er denkt, dass das Wort „keuschester“, das die christliche Tradition neben Josef gestellt hat, diese „Logik der Freiheit“ ausdrückt, die jeder Vater haben soll, um wirklich frei zu lieben.

Papst Franziskus bemerkt, dass dies alles der hl. Josef nicht vor allem als „Selbstaufopferung“ betrachten würde, was eine gewisse Frustration bewirken könnte; sondern einfach als Geschenk seiner selbst, als Frucht des Vertrauens. Deshalb führt Josefs Schweigen nicht zu Klagen, sondern drückt Vertrauen aus.

 

Vom „Opfer“ zur Selbsthingabe

Hier wird eine letzte Vertiefung über die Beziehung zwischen Opfer und Großzügigkeit aus Liebe aufgezeigt, aus einer Perspektive, die christlicher Humanismus oder christliche Anthropologie genannt werden könnte. Tatsächlich ist es schließlich und endlich das, was Gott getan hat, angefangen von der Menschwerdung und bei all seinem erlösenden Handeln für uns: sich selbst schenken. Deshalb verwirklicht sich auch die Person, das Abbild Gottes, nur in der aufrichtigen Hingabe ihrer selbst (vgl. Gaudium et spes 24).

Papst Franziskus stellt fest: „Die Welt braucht Väter, Despoten aber lehnt sie ab, also diejenigen, die besitzergreifend sind, um ihre eigene Leere zu füllen; sie lehnt die ab, die Autorität mit Autoritarismus verwechseln, Dienst mit Unterwürfigkeit, Auseinandersetzung mit Unterdrückung, Nächstenliebe mit übertriebener Fürsorge, Stärke mit Zerstörung. Jede wahre Berufung kommt aus der Selbsthingabe, die die reifere Form des bloßen Opfers ist“.

Um aus diesem Argument wirklich Nutzen zu ziehen, müssen wir uns die eher negative und abschätzige Bedeutung dessen, was das Wort „Opfer“ im gewöhnlichen Sprachgebrauch heutzutage ausdrückt, vor Augen halten. Wenn wir, zum Beispiel, sagen: „Wenn nichts anderes übrigbleibt, bringen wir das Opfer, um das und das zu erreichen…“. Oder wenn wir ausdrücken, dass uns etwas nicht gefällt oder uns jemand unsympathisch ist, aber wenn wir „ein Opfer bringen“, können wir es ertragen.  

Dies kann man als Resultat der Entchristlichung der Kultur sehen; denn von einer christlichen Perspektive aus gesehen, hat das Opfer nicht an erster Stelle diese traurige, negative, miesmachende Nebenbedeutung, sondern im Gegenteil: es ist etwas, das sich lohnt, denn dahinter ist das Leben und die Freude. Mit Sicherheit denkt keine Mutter und kein Vater, der tut, was er tun soll, dass er „ein Opfer bringt“, oder wenn er jemandem einen Gefallen tut, bei dem er sich sehr anstrengen muss, dass ihm „nichts anderes überbleibt“.

Wenn die christliche Perspektive verloren geht (das heißt der Glaube, dass Christus der Sohn Gottes ist, der menschliches Fleisch angenommen hat, um uns zu erlösen, der auf dem Kreuz gesiegt hat, und dass das Kreuz deshalb Quelle der Ruhe, des Vertrauens und der Freude ist), klingt das Wort „Opfer“ heute traurig und unbefriedigend. Der Papst drückt das gut aus, wenn er vorschlägt, die (bloß menschliche)Logik des Opfers“ zu überwinden. Tatsächlich hat das Opfer ohne den vollen Sinn, den ihm die christliche Perspektive gibt, etwas Unterdrückendes und Selbstzerstörerisches an sich.

Bezüglich der Großzügigkeit, die jede Vaterschaft verlangt, fügt der Papst in der Tat etwas dazu, das den Weg, der kirchlichen Berufungen erhellt: „Dort, wo eine eheliche, zölibatäre oder jungfräuliche Berufung nicht die Reife der Selbsthingabe erreicht und allein bei der Logik des Opfers stehen bleibt, wird sie kaum zu einem Zeichen für die Schönheit und die Freude der Liebe werden, sondern womöglich den Eindruck von Unglück, Traurigkeit und Frustration erwecken“.

Das ist richtig. Und dass kann in Beziehung gesetzt werden mit dem wahren Sinn der christlichen Freiheit, die nicht nur die Opfermentalität des Alten Testaments übersteigt, sondern auch die Versuchung eines „voluntaristischen Moralismus“.

Das hat Josef Ratzinger - Benedikt XVI. bei verschiedenen Gelegenheiten gut erklärt, ausgehend von dem Absatz Röm 12, 1 (über den „geistigen Kult“). Es ist ein Irrtum, sich retten zu wollen, sich zu reinigen, oder sich aus eigenen Kräften  zu erlösen. Die Botschaft des Evangeliums schlägt vor, die Darbringung des eigenen Lebens von Tag zu Tag zu lernen in Gemeinschaft mit Christus, im Rahmen der Kirche und auf dem Mittelpunkt der Eucharistie (vgl. konkret Generalaudienz, 7.1.2009).

Das, kommt uns vor, erhellt, was Papst Franziskus in dem Brief sagt; er formuliert es in Begriffen, die jeder akzeptieren kann, nicht nur ein Christ, und zugleich liegt es auf dem Weg zur Fülle des Christlichen: die Vaterschaft muss offen sein für die neuen Räume der Freiheit der Kinder. Und das setzt übrigens die Sorge des Vaters und der Mutter voraus, ihre Kinder in der Freiheit und in der Verantwortlichkeit zu bilden.

Es lohnt sich, diesen Absatz abzuschreiben, der fast am Ende dieses Briefes steht: „Jedes Kind trägt ein Geheimnis in sich, etwas noch nie Dagewesenes, das nur mit Hilfe eines Vaters zur Entfaltung gebracht werden kann, der seine Freiheit respektiert; eines Vaters, der sich bewusst ist, dass sein erzieherisches Handeln erst dann zum Ziel kommt und dass er erst dann sein Vatersein ganz lebt, wenn er sich „nutzlos“ gemacht hat, wenn er sieht, dass das Kind selbständig wird und allein auf den Pfaden des Lebens geht, wenn er sich in die Situation Josefs versetzt, der immer gewusst hat, dass das Kind nicht seines war, sondern einfach seiner Obhut anvertraut worden war“.

 

(Veröffentlicht von Ramiro Pellitero)

ubersetzt von I.R.

Donnerstag, 11. März 2021

Vaterherz

In seinem Brief über den hl. Josef, Patris corde (8. XII. 2020), mit dem Papst Franziskus ein „Jahr des hl. Josef“ bis zum 8. Dezember 2021 ausruft, sagt er, dass sein Ziel sei, „die Liebe zu diesem großen Heiligen zu fördern und einen Anstoß zu geben, ihn um seine Fürsprache anzurufen und seine Tugenden nachzuahmen“.


Deshalb beginnt der Papst zu erklären, welche Art Vater der hl. Josef war und welche Sendung ihm Gott anvertraute. Der hl. Josef war nicht das, was wir heute „biologischer Vater“ Jesu nennen würde, sondern nur sein „legaler Vater“. Trotzdem lebte er die Vaterschaft für Jesus und als Gemahl Mariens in hervorragender Weise. Als solchen haben ihn viele Heilige betrachtet, angefangen vom hl. Irenäus und dem hl. Augustinus, über diverse Kirchenlehrer, unter denen die hl. Teresa von Avila hervorragt, bis zum hl. Josefmaria und dem hl. Johannes Paul II.

Wenn man den Brief von Franziskus liest und betrachtet, kann es einem gelingen wiederzuentdecken, wie der hl. Josef nicht nur Behüter der Kirche ist, sondern auch der Menschheit, besonders ihres zerbrechlichsten Teiles, jener bedürftigsten Glieder. Auf jeden Fall handelt es sich um einen wichtigen Heiligen. Mehr noch, wie Franziskus schreibt, „Nach Maria, der Mutter Gottes, nimmt kein Heiliger so viel Platz im päpstlichen Lehramt ein wie Josef, ihr Bräutigam.“

Warum jetzt dieser Brief? Franziskus weist darauf hin, dass es - zusammen mit dem Anlass des 150. Jahrestags der Erklärung Josefs als den Patron der gesamte Kirche - einen „persönlichen“ Grund gibt: von dem zu sprechen, was sein Herz erfüllt (vgl. Mth 12, 34). Außerdem bekennt er in der Einführung: „dieser Wunsch ist jetzt in den Monaten der Pandemie gereift“. So lernen wir einige Gedanken und den geistigen Prozesse kennen, die sich im Herzen des Papstes während der Pandemie abgespielt haben (vgl. ausführlicher im Buch Wage zu träumen! Mit Zuversicht aus der Krise. Gespräche mit Austen Ivereigh. Kösel-Verlag 2002).

Wie es der Papst bei verschiedenen Gelegenheiten getan hat, hebt er hervor und dankt für das Zeugnis von so vielen „gewöhnlichen Menschen – die gewöhnlich vergessen werden – ,(…) die aber heute zweifellos eine bedeutende Seite unserer Geschichte schreiben“, denn sie arbeiten, geben Hoffnung und beten, fast immer diskret, aber indem sie uns alle stützen.

Ihnen allen und auch uns schlägt er das Beispiel und die Hilfe des hl. Josef vor: „Alle können im heiligen Josef, diesem unauffälligen Mann, diesem Menschen der täglichen, diskreten und verborgenen Gegenwart, einen Fürsprecher, Helfer und Führer in schwierigen Zeiten finden. Der heilige Josef erinnert uns daran, dass all jene, die scheinbar im Verborgenen oder in der „zweiten Reihe“ stehen, in der Heilsgeschichte eine unvergleichliche Hauptrolle spielen. Ihnen allen gebührt Dank und Anerkennung“.

In seinem Brief widmet Papst Franziskus dem hl. Josef sieben Überschriften in Form von „Titeln“, die sieben Anrufungen einer kleinen „Litanei des Vaters“ entsprechen könnten: geliebter Vater, in der Zärtlichkeit, in dem Gehorsam, in der Annahme, im schöpferischen Mut, in der Arbeit, immer im Schatten.

Neben den historischen und biblischen „Wurzeln“ des hl. Josef (vgl. Gen 41, 55; 2 Sam 7, Mth 1, 16.20), des geliebten Vaters, und den Grundlagen seiner Identität und unserer Verehrung für ihn (seine Verbundenheit mit der Menschwerdung des Sohnes Gottes und seine Rolle als gesetzlicher Vater Jesu und Mann Mariens), treten in dem Brief große Themen des Lehramtes von Franziskus zu Tage, mit eigenen Akzenten und Ausdrücken.



Vater in der Zärtlichkeit, im Gehorsam und in der Annahme

„Jesus erlebte an Josef Gottes Barmherzigkeit“ (Nr. 2), was man von jedem guten Vater erwarten sollte (vgl. Ps 103, 13). Während er ihn in seiner kindlichen Schwäche beschützte, lehrte Josef Jesus, Gott zu „sehen“ und sich im Gebet an Ihn zu wenden. Auch für uns „ist es wichtig, der Barmherzigkeit Gottes zu begegnen - insbesondere im Sakrament der Versöhnung - und eine Erfahrung von Wahrheit und Sanftmut zu machen“ (ebd.). Dort nimmt Gott uns an und umarmt uns, er richtet uns auf und verzeiht uns. Josef „lehrt uns auch, dass wir uns inmitten der Stürme des Lebens nicht davor fürchten müssen, das Ruder unseres Bootes Gott zu überlassen“ (ebd.).

Ähnlich wie Maria sprach auch Josef sein „fiat!“ (es geschehe) zum Plan Gottes. Er war Gott gehorsam in dem, worum er ihn bat, obwohl es ihm im Schlaf geoffenbart wurde. Und was erstaunlich erscheint, er „lehrte“ Jesus den Gehorsam. „In der Verborgenheit von Nazaret, in der Schule Josefs, lernte Jesus, den Willen des Vaters zu tun“ (Nr. 3). Und das bis hin zur Passion und zum Kreuz (vgl. Joh 4, 34; Phil 2, 8; Hebr 5, 8).

Wie der hl. Johannes Paul II. in seinem Apostolischen Schreiben Redemptoris custos (1989) über den hl. Josef schrieb: „Der hl. Josef wurde von Gott dazu berufen, durch die Ausübung seiner Vaterschaft unmittelbar der Person und Sendung Jesu zu dienen; auf diese Weise wirkt er in der Fülle der Zeit an dem großen Geheimnis der Erlösung mit und ist tatsächlich »Diener des Heils«“.

Dies alles ereignete sich durch die „Annahme“ Mariens und des Planes Gottes für sie durch Josef. Josef nahm diesen für ihn geheimnisvollen Plan an mit persönlicher Verantwortung, ohne leichte Lösungen zu suchen. Und diese Ereignisse kennzeichnen sein inneres Leben. Somit ist „das geistliche Leben, das Josef uns zeigt, nicht ein Weg, der erklärt, sondern ein Weg, der annimmt (Nr. 4).



Vater in seinem schöpferischen Mut


Auch wenn diese Pläne Gottes die Erwartungen Josefs übertreffen, resigniert er nicht passiv, sondern handelt mit Starkmut. Und so gibt er uns ein Beispiel und er unterstützt uns, wenn es darum geht, unser Leben mit „schöpferischem Mut“ so, wie es ist, anzunehmen, auch mit seinem widersprüchlichen, unerwarteten, ja sogar enttäuschenden Anteil. Der hl. Paulus wird dann sagen, dass „Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt“ (Röm 8, 28).

Es ist leicht anzunehmen, dass die, die Gott wahrhaft lieben, auch die sind, die diese Liebe im Interesse für die anderen zum Ausdruck bringen. Tatsächlich schreibt Franziskus - und drückt dabei noch eine sehr persönliche Sichtweise aus -: „Gerne stelle ich mir vor, dass die Haltung Josefs Jesus zum Gleichnis vom verlorenen Sohn und vom barmherzigen Vater inspiriert hat (vgl. Lk 15,11-32)“. (Ebd.)

Der Papst weist darauf hin, dass anzunehmen, was wir in unserem Leben nicht gewählt haben, und mit schöpferischem Mut zu handeln, Gelegenheiten sind, deren Gott sich bedient, um „bei jedem von uns Ressourcen zum Vorschein bringen, von denen wir nicht einmal dachten, dass wir sie besäßen (Nr. 5)“. Konkret gesprochen: Josef „versteht es, ein Problem in eine Chance zu verwandeln, und zwar dadurch, dass er immer in erster Linie auf die Vorsehung vertraut“.

Wie reagierte Gott auf dieses Vertrauen Josefs? Indem er eben seinerseits auf Josef vertraute – wie das bei uns geschehen kann – auf das, was er planen, ausdenken und finden konnte. Das ist immer – ließe sich von unserer Seite folgern – die christliche Sendung: ein Angebot des Vertrauens Gottes, der unseres verlangt, um große Dinge zu tun.

Und so, wie er der Behüter Jesu und seiner Mutter Maria war, ist es nur „folgerichtig, dass der heilige Josef der Schutzpatron der Kirche ist, denn die Kirche ist die Ausdehnung des Leibes Christi in der Geschichte, und gleichzeitig ist in der Mutterschaft der Kirche die Mutterschaft Mariens angedeutet“ (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 963-970). Dieser Brief könnte „Beschützer der Kirche“ genannt werden. Franziskus ermuntert uns auch in origineller Weise wahrzunehmen, dass wir, wenn wir die Kirche behüten, auch Jesus und Maria behüten. Man erinnere sich an die Aufgabe zu „behüten und dienen“, die der Papst in seiner Predigt in der Messe zum Beginn des Petrusdienstes (19.03.2013) dem hl Josef zuschreibt.

Und nicht nur das, sondern konsequenterweise sind die Bedürftigsten nach dem Willen Jesu (vgl. Mth 25, 40) auch diese „Kind“, das Josef weiterhin behütet: „So ist jeder Bedürftige, jeder Arme, jeder Leidende, jeder Sterbende, jeder Fremde, jeder Gefangene, jeder Kranke „das Kind“, das Josef weiterhin beschützt. Deshalb wird der heilige Josef als Beschützer der Elenden, der Bedürftigen, der Verbannten, der Bedrängten, der Armen und der Sterbenden angerufen“ (Patris corde Nr. 5).

Diese Vertiefung im hl. Josef als Beschützer der Kirche in und durch (wenn auch nicht exklusiv) die Allerärmsten ist wirklich interessant, und sie deutet dabei auch an, dass Maria sich mit ihnen identifiziert. Das ist nicht befremdend, kann man denken, denn sie ist die Mutter der Barmherzigkeit und die Gemahlin Christ, die sich mit allem, was ihn betrifft und ihm wichtig ist, identifiziert. „Von Josef – (schlägt der Papst vor) - müssen wir die gleiche Fürsorge und Verantwortung lernen: das Kind und seine Mutter zu lieben; die Sakramente und die Nächstenliebe zu lieben; die Kirche und die Armen zu lieben. Jede dieser Wirklichkeiten ist immer das Kind und seine Mutter“.

(Ein zweiter Teil wird folgen) 

ubersetzt von I.R.

http://iglesiaynuevaevangelizacion.blogspot.com/2020/12/corazon-de-padre.html



Staunen, Schönheit und christliches Zeugnis

Pestsäule, Wien
Eine der Heiligsten Dreifaltigkeit gewidmete, 21 m hohe Säule in Wien, 
1693 errichtet zum Dank für das Ende der Pestepidemie, 
unter der die Stadt Jahre hindurch gelitten hatte.
 
 

Die Botschaft, die Kardinal Parolin im Auftrag von Papst Franziskus (5-VIII-2020) an das Treffen in Rimini gesandt hatte, hebt die Möglichkeit des Staunens hervor, um auch inmitten der dramatischen Erfahrungen der Pandemie mit den Augen eines Kindes (vgl. Mth 18, 3) den Wert der menschlichen Existenz, den Wert der anderen Wesen und der Liebe zu entdecken. Und dieses Staunen drückt sich jetzt aus – es kann und muss sich ausdrücken – im Mitleid und im Dienst angesichts der Bedürfnisse derer, die in unserer Nähe leben.

In der Tat. Die Verwunderung, das Staunen oder die Verblüffung haben mit der Fähigkeit des Schauens zu tun. Der Weichensteller sagt zum kleinen Prinzen (Kapitel XXII), dass die Reisenden in den Zügen nichts suchen und nichts verfolgen, normalerweise schlafen oder gähnen sie; „nur die Kinder drücken ihre Nasen gegen die Fensterscheiben…nur sie wissen, wohin sie wollen…“.

Wenn der Anfang der Philosophie die Aufmerksamkeit auf die Wirklichkeit und das Leben ist, dann ist auch das Staunen - eine ausschließlich menschliche Fähigkeit – Bedingung, um das Geheimnis zu erfassen, das die Wurzel und das Fundament aller Dinge bildet, und besonders all dessen, was mit den Personen zu tun hat, mit dem Heimweh und der Sehnsucht nach dem Unendlichen. Damit verbunden ist der Weg der Schönheit, dessen Fülle in Christus liegt, der das Wunder des Lebens offenbart, wenn man eine rettende Liebe entdeckt.

„Manche Menschen, - heißt es in der Botschaft -, haben sich auf die Suche nach Antworten oder auch nur nach Fragen über den Sinn des Lebens gemacht, nach dem wir alle streben, auch ohne uns dessen bewusst zu sein: statt ihren tiefsten Durst zu stillen, hat der Lockdown bei einigen die Fähigkeit wiedererweckt, über Menschen und Tatsachen zu staunen, die vorher als selbstverständlich betrachtet wurden. Dieser so dramatische Umstand hat uns, wenigstens für kurze Zeit, wieder eine aufrichtigere Wertschätzung für das Leben gegeben, ohne die Vielzahl an Ablenkungen und Vorurteilen, die den Blick vernebeln, die Dinge unscharf machen, das Staunen leer machen und uns davon abbringen, uns zu fragen, wer wir sind“.


Staunen und Schönheit

Mitten in der gesundheitlichen Notlage hat der Papst einen Brief erhalten, unterzeichnet von verschiedenen Künstlern, die ihm danken, dass er für sie gebetet hat. „Die Künstler - sagte der Papst in der Frühmesse am 7. Mai – lassen uns verstehen, was die Schönheit ist, und ohne das Schöne kann man das Evangelium nicht verstehen“.

Gewiss. Die Schönheit ist vor allem ein Weg, um zu anderen tiefen Dimensionen des Seins zu gelangen, wie die Wahrheit und das Gute. In unserer Epoche ist die Wahrheit häufig durch die Ideologien manipuliert und durch den Relativismus verdunkelt worden; und das Gute ist auf seine soziale und rein menschliche Dimension reduziert worden.

In einem Dokument aus dem Jahr 2006 hob der päpstliche Kulturrat den anthropologischen und auch evangelisierenden Wert der Schönheit hervor:

„Der Weg der Schönheit kann, aus der einfachen Erfahrung der Begegnung mit der Schönheit, die Bewunderung weckt, den Weg zur Suche nach Gott öffnen und das Herz und den Geist dazu bringen, Christus zu begegnen, der Schönheit der menschgewordenen Heiligkeit, die Gott den Menschen zu ihrer Rettung anbietet. Heute lädt diese Schönheit den Augustinus unserer Zeit – den unermüdlichen Suchenden der Liebe, der Wahrheit und der Schönheit – dazu ein, sich von der sinnlichen Schönheit zur Ewigen Schönheit zu erheben und mit heiligem Eifer Gott, den Baumeister aller Schönheit, zu entdecken“ (Die „Via Pulchritudinis“, Weg der Evangelisierung und des Dialogs, II, 1).

Hier wurde anerkannt, dass nicht alle Kulturen in gleicher Weise offen für das Transzendente, und bereit sind, die christliche Offenbarung anzunehmen, aber sie können sich öffnen für die echte Schönheit, die mit der Wahrheit und dem Guten in Beziehung steht; und nicht für die, die sich von einer konsumbezogenen oder nützlichen Ästhetik mitreißen lässt. Gleichzeitig besagt das Schöne mehr als das Wahre oder das Gute. Das Schöne weckt Staunen – was die Klassiker schätzten - bei der Erfassung der Klarheit, die zum Beispiel die Vollkommenheit eines echten Kunstwerks vermittelt.

Kehren wir zur Botschaft von Kardinal Parolin zurück: er zitiert die folgenden Worte von Urs von Balthasar:

In einer Welt ohne Schönheit (…) hat das Gute von selbst seine Anziehungskraft verloren, die Evidenz seiner „Muss sein“-Verwirklichung; der Mensch steht perplex davor und fragt sich, warum er das Gute tun muss und nicht das Böse. Schließlich ist das eine andere Möglichkeit und sogar eine spannendere; (…) In einer Welt, die sich nicht mehr in der Lage fühlt, die Schönheit zu bejahen, haben auch die demonstrativen Argumente der Wahrheit ihre Schlagkraft verloren, ihre Kraft logischer Folgerung. (…) der Prozess, der zu einer Schlussfolgerung führt, ist ein Mechanismus, der niemanden interessiert, und die Schlussfolgerung selbst schließt auf gar nichts“ (Gloria, I, Madrid 1985, S. 23).

Im Gegenteil dazu bemerkt das Dokument, auf das wir uns bezogen haben, „Es ist die Schönheit wie die Wahrheit, die dem Herz des Menschen Freude bringt und diese kostbare Frucht ist, die dem Verschleiß der Zeit widersteht, die die Generationen vereint und sie dazu bringt, Dinge in Bewunderung zu teilen. Mit einer reinen Seele betrachtet, spricht Schönheit direkt zum Herzen, steigt innerlich von Staunen zu Bewunderung, von Glück zu Kontemplation. Dadurch schafft sie einen fruchtbaren Boden, um zuzuhören und mit dem Menschen in Dialog zu treten und um den ganzen Menschen einzubinden – Geist und Herz, Intelligenz und Vernunft, schöpferische Fähigkeit und Phantasie. Schönheit lässt nicht gleichgültig: sie weckt Emotionen, sie setzt eine Dynamik tiefer innerer Umwandlung in Gang, die Freude erzeugt, Gefühl der Fülle, den Wunsch nach freier Teilnahme an der Schönheit selbst, sie sich zu eigen zu machen, sie zu verinnerlichen und in die eigene konkrete Existenz zu integrieren“ (La „Via Pulchritudinis“…, II, 3).


Weg der Schönheit und christliches Zeugnis

Der Weg der Schönheit ist heute besonders auf dem Gebieten der Erziehung und der Kommunikation anerkannt. Auch als Weg der Evangelisierung, die Erziehung und Kommunikation des Glaubens ist. Denn der Autor der Schönheit selbst, der gleichzeitig der „Autor“ der Wahrheit und des Guten (vgl. Joh 14, 6) ist, bringt uns auf die Spur. Papst Franziskus weist darauf hin:

„(…) Alle Ausdrucksformen wahrer Schönheit können als Weg anerkannt werden, der hilft, dem Herrn Jesus zu begegnen. (…). Wenn wir, wie Augustinus sagt, nur das lieben, was schön ist, dann ist der menschgewordene Sohn, die Offenbarung der unendlichen Schönheit, in höchstem Maß liebenswert und zieht uns mit Banden der Liebe an sich. Dann wird es notwendig, dass die Bildung in der via pulchritudinis sich in die Weitergabe des Glaubens einfügt“ (Evangelii gaudium 167).

Die Botschaft endet mit der Einladung an die Christen, diese Schönheit der Liebe Gottes zu bezeugen, die sich uns in Jesus Christus erwiesen hat, der Liebe, die uns das Leben verändert hat und die uns das Wunder des Lebens schätzen lässt: das ist es, was Johannes Paul II. 1984 ausdrückte: „Es lohnt sich, Mensch zu sein, denn Du, Christus, bist Mensch gewesen“. 
 
So können wir als Zeugen der Liebe, die rettet, die Hoffnung unserer Mitmenschen aufrechterhalten, besonders derer, die unter den gegebenen Umständen leiden. 

(ubersetzt von I.R.)
http://iglesiaynuevaevangelizacion.blogspot.com/2020/08/asombro-belleza-y-testimonio-cristiano.html